9 Achtsamkeitsübungen gegen Stress – Artikel in emotion von Irene Ossa
Stress lass nach – ist MBSR der Königsweg?
Die aktuelle Situation bringt uns Stress. Während wir mit unseren Kindern Matheaufgaben am Küchentisch lösen, gleichzeitig Mittagessen vorbereiten, Zankereien schlichten und auf einem Ohr mit der Chefin telefonieren ist es kaum verwunderlich, dass unser Innerstes die weiße Flagge schwenkt und sich dem Stress einfach nur noch ergeben möchte. Emotionale Stressbewältigung. Wenn dafür nur Zeit wäre…
Die Social Moms schrieben in ihrem Insta-Feed: „Ich wünschte, ich hätte Zeit für den Nervenzusammenbruch, den ich so sehr verdiene“. Und nicht nur Eltern, auch Menschen ohne Kinder stoßen an die Grenzen ihrer Resilienz. Was wir jetzt brauchen sind Methoden, die uns runterbringen. Und zwar dauerhaft.
Herausfordernde Ereignisse lösen körperliche Automatismen aus
Stressige Ereignisse und auch eigene katastrophisierende Gedanken wecken negative Emotionen und rufen automatisch ablaufenden Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreaktionen im Körper hervor. Diese können auf Dauer der Gesundheit schaden und verhindern, dass wir in Stresssituationen lösungsorientiert handeln.
MBSR – was ist das?
MBSR steht für „Mindfulness Based Stress Reduction“, frei übersetzt: „Stressbewältigung durch die Übung der Achtsamkeit“. MBSR wird weltweit in Institutionen, Unternehmen und Gesundheitseinrichtungen gelehrt. Die Wirksamkeit des Trainings ist wissenschaftlich bestätigt.
Schluss mit Autopilot:in
Das alles trainiert uns darin, in stressigen Situationen aus dem einsetzenden Autopiloten auszusteigen: Das heißt, wir lernen innezuhalten, gewohnte Reaktionsmuster aufzugeben und einen alternativen und gelasseneren Umgang mit äußeren aber auch inneren Stressauslösern zu finden. Achtsamkeit kann uns helfen, uns unserer Handlungsmöglichkeiten bewusst zu werden und so den Raum zwischen Reiz und Reaktion zu gestalten.
Wobei kann MBSR helfen?
Gedankenketten unterbrechen: Häufig kreisen unsere Gedanken als Sorgen um die Zukunft. Oder wir grübeln über Vergangenes. Das kann uns viel Energie kosten. Sorgenvolle Gedanken haben die Eigenschaft, sich zu Gedankenketten auszuwachsen, die mit dem Schlimmsten rechnen. Darin sind sie besonders hartnäckig und ploppen immer wieder auf. Durch die Praxis der Achtsamkeit lernen wir automatisierte und manchmal belastende Gedankenketten zu sehen und dann zu unterbrechen.
Selbstmitfühlend mit schwierigen Gefühlen umgehen: Starke Emotionen haben die Eigenschaft, sich hartnäckig festzusetzen, wenn sie nicht beachtet werden. Das ist wie ein Ball, den man versucht unter Wasser zu drücken, und der immer wieder hoch kommt. Wenn du das schwierige Gefühl in dir anerkennst, dich ihm zuwendest und mit ihm mitfühlst, dann hat es die Chance, sich zu beruhigen. Mit sich selbst mitzufühlen macht einen Unterschied dazu, sich selbst zu bemitleiden. Oder sich mit dem Leiden zu identifizieren und im Außen Lösungen zu erwarten. Es kann auch helfen, die Gedanken dazu aufzuschreiben oder jemandem mitzuteilen. Dann sind sie erstmal woanders „geparkt“ und raus aus dem Kopf.
Wach bleiben im Konsumieren: Bad News füttern Angst und Sorgen. Bewusst auszuwählen, was wir lesen oder schauen kann sich also lohnen.
Spaß und Freude: Auch wenn es paradox erscheint: Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, sich bewusst und regelmäßig Dingen zuzuwenden die Spaß machen und Freude bereiten. Schon ein inneres Lächeln entspannt Geist und Seele.
Neun Übungen aus der MBSR
Um die Methoden der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion vollständig zu erlernen, empfehlen Expert:innen einen Kurs zu besuchen. Die finden inzwischen auch online statt. Doch auch zuhause können wir üben. Diese neun Methoden helfen euch durch akute Stresssituationen. Mit ein wenig Übung sogar ohne dass ihr noch groß darüber nachdenken müsst.
1) Ampel-Übung
There it is – die akute Stresssituation ist da. Brennt das Haus ab oder verletzt sich jemand, wenn du erst in 30 Sekunden reagierst? Meistens nicht. Dann ist jetzt Zeit für die Ampel-Übung:
Es ist Rot: Anhalten.
Dann wird es Gelb: Wahrnehmen, woher der Stress kommt und überlegen: Was ist die sachliche Lage? Welches Handeln hat welche Wirkung auf die Beteiligten und auf mich? Was tut mir jetzt gut? Was ist das Sinnvollste für alle?
Dann ‚Entscheiden zur Handlung‘.
Die Ampel springt auf Grün: Handeln.
2) Schnellcheck
In der Warteschlange an der Kasse oder während der Arbeit immer wieder wahrnehmen, wie sich der Körper anfühlt. Wenn der Körper irgendwo angespannt ist, diese Muskelgruppen bewusst lösen. Sich fragen, was der Körper gerade braucht und dem Bedürfnis folgen sobald es geht. Das kann etwas zu Essen oder ein Getränk sein, eine Pause, Bewegung, Ruhe, Entspannung, …
3) Stopp – Übung
S „stop“
T „take a breath“
O „observe the body“
P „proceed“
4) Sinne einladen
Beim Raustreten aus einem Gebäude die Luft auf der Haut, die Geräusche und die Farben in der Umgebung wahrnehmen. Das schult unsere Achtsamkeit und kann uns in den Moment zurück bringen, statt schon wieder fünf Schritte voraus zu denken.
5) Zeit im Kontakt
Es ist wahnsinnig wichtig, mit den Gedanken nicht immer überall gleichzeitig zu sein. Denn das löst im Zweifel nur Stress aus, gibt uns aber nichts zurück, da wir nicht im Moment selbst ankommen können. Daher hilft es:
- Anderen bewusst Zeit zu schenken
- Zeit für Arbeit und Zeit für Privates bewusst zu trennen und dann voll da sein zu können
- Uns Zeit für Gespräche zu nehmen (und nicht nebenbei das Handy zu checken oder über das Abendessen nachzudenken)
- Uns im Gespräch Zeit für das Gegenüber zu nehmen. Zeit für Kontakt, Interesse, Wertschätzung und Zuhören ohne Ratschläge
6) Der Negativitäts-Bias
Um ein schlechtes Feedback auszugleichen, brauchen wir im Schnitt neun gute Rückmeldungen. Oder andersherum: Etwas sehr Positives wird im Allgemeinen weniger Einfluss auf das Verhalten und die Kognition einer Person haben als etwas ebenso Emotionales, aber Negatives. Dessen sollten wir uns bewusst sein und positive Erlebnisse bewusster wahrnehmen. Dabei können uns auch Übungen aus der positiven Psychologie helfen, wie zum Beispiel jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, die gut waren.
7) Glück einladen
5-mal täglich 30 Sekunden an etwas Schönes denken, es fühlen und vor dem inneren Auge sehen. Wer „dafür keine Zeit hat“: Geht auch beim Zähneputzen, an der Supermarktkasse, beim Warten auf den Bus und auf der Toilette.
8) Sich Mitgefühl schenken
Wer bemerkt, dass er sich selbst verurteilt, kann einmal prüfen, welcher Satz in der Situation oder in sich wiederholenden Situationen guttun könnte und sich diesen Satz zuerst laut und dann immer wieder im Stillen selbst zusprechen. Alternativ kann es sinnvoll sein, sich immer wieder zu fragen: „Was brauche ich jetzt?“.
9) Sitzmeditation mit Achtsamkeit auf den Atem
- Aufrechte Sitzposition einnehmen
- Augen schließen
- Bemerken, wo der Körper die Unterlage oder Stuhllehne berührt und wie die Füße Kontakt zum Boden haben
- Aufmerksamkeit auf die Bauchdecke und ihre Bewegung beim Ein- und Ausatmen lenken
- Dem Atem in seiner ganzen Länge folgen, ohne ihn zu verändern. Zu Anfang reicht es, die Konzentration auf 5 Atemzüge zu beschränken
- Ablenkende Gedanken wahrnehmen, sehen, sich von ihnen lösen und die Aufmerksamkeit wieder zum Atem lenken
- Zum Abschluss Aufmerksamkeit wieder auf den ganzen Körper lenken, Augen öffnen, Hände reiben und sich strecken
Was bringt mir ein MBSR-Kurs?
Wer tiefer in die Praxis der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion einsteigen möchte, kann einen Kurs zum Thema besuchen (auch online). MBSR-Lehrerin Irene Ossa bietet achtwöchige Kurse an.
Die erste Hälfte der Sitzungen gibt Raum, sich mit Geist, Körper und Seele zu verbinden, also ein Stück weit, wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Durch die drei Grundelemente des MBSR: Achtsames Yoga, einen Bodyscan im Liegen oder eine Meditation im Sitzen. Danach gibt es fachlichen Input und Zeit, sich über die Übungen auszutauschen und Fragen zu stellen. Jeder Abend steht unter einem neuen Thema: Was ist Achtsamkeit? Wie nehme ich die Welt wahr? Was hat Selbstfürsorge mit Stressbewältigung zu tun? Dabei geht es nicht nur darum, sich zu entspannen. Der Kurs dient der mittelfristigen Stressbewältigung und gibt weiterführenden Input für die selbstständige Meditation und achtsames Yoga zuhause. Mehr zum Thema ‚Achtsamkeit leben‚, Stress mindern und wie du Stresssymptome erkennen und abbauen kannst.