Gut Grenzen setzen trotz innerem Kritiker

Beim Thema Grenzen könnte man meinen, es gehe nur darum, Grenzen aufzubauen im Sinne von Trennung schaffen. Es geht aber auch darum, Verbindung zu schaffen, Verbindung zuzulassen. Ich zeige dir hier Strategien die genau das schaffen: sich abgrenzen und dadurch in Verbindung bleiben.

Sich abgrenzen zu wollen kann viele sehr unterschiedliche Gründe haben. Es lohnt sich, im ersten Schritt dahinter zu kommen, warum du dich in welchem Kontext abgrenzen möchtest.

Vielleicht merkst du, dass du erschöpft bist. Die Erschöpfung kann spürbar werden wenn du deinen eigenen Raum verlassen oder zu weit aufgemacht hast.

Auch kann es sein, dass jemand anderes in deinen Raum eingedrungen ist und dir fehlte die Strategie, ihn in seine Grenzen zu setzen. Ein Beispiel: Deine Chefin fordert etwas von dir. Eigentlich wolltest du heute früher los, um mehr Zeit mit deinen Kindern zu haben. Dann sagt sie sowas wie: „Ach komm, das geht jetzt noch schnell“. Und schon hat sie dich bei einem persönlichen Triggerpunkt gepackt. Vielleicht bei einem Glaubenssatz der bei dir angeht wie: „Du musst es allen Recht machen, um akzeptiert und anerkannt zu werden.“

Was aber tatsächlich geschieht ist: Du gerätst in Stress. Denn in dir geraten der Glaubenssatz und dein ursprüngliches Vorhaben, Zeit mit deinen Kindern zu verbringen in einen Streit miteinander. Du wirst wütend und trotzdem bleibst du und erledigst die Aufgabe. Wenn das häufiger geschieht, kann es sein, dass dein Stresspegel zu hoch wird, du krank wirst und Beziehungen anfangen zu leiden.

Was kann helfen?

Zuallerst: Versuche einen liebevollen Blick auf dich selbst einzunehmen. Dich innerlich dafür zu kritisieren und zu beschimpfen bringt dich nicht weiter. Versuche mit einer selbstmitfühlenden Haltung zu klären warum du so angreifbar bist und keine Grenzen setzt, also für dich einstehst. Vielleicht handelt es sich um einen Triggerpunkt. Also etwas, wo du sehr leicht zu kriegen bist aufgrund einer vergangenen Erfahrung. Wenn wir beim Beispiel vom oben bleiben, dann kann es sein, dass du die Bedürfnisse anderer meist über dein eigenes Bedürfnis stellst. Vielleicht hat es in deiner Vergangenheit wiederholt Situationen gegeben, wo es wichtiger war, für andere zu sorgen. Dein eigenes Bedürfnis nach Ruhe oder Unterstützung musstest du zurückstellen.

Oder vielleicht warst du ein Einzelkind und man hat dir vorgehalten, dass du egoistisch handelst wenn du an dich denkst. Dein Bedürfnis nach sozialer Anerkennung wurde also verletzt. Heute könnte es dazu führen, dass du dir nicht erlaubst, ein Bedürfnis zu befriedigen das nur einen kleinen Kreis von Menschen einschließt: Dich selbst und deine Familie. Du schätzt es dann häufiger wichtiger ein, der Welt zu beweisen, dass du auch an andere denkst. Oder du willst zeigen, dass du leistungsfähig bist und bist davon überzeugt, dass Schwäche zuzulassen bedeutet, die Kontrolle oder Anerkennung zu verlieren, ein Versager zu sein oder du es nicht wert bist, hier zu arbeiten. Wir kommen schnell in eine typische Reaktion, um die alte Verletzung und unsere Scham dahinter nicht noch einmal spüren zu müssen. Entweder in dem wir es allen Recht machen, uns beeilen oder überreagieren wie mit Wut. Auch unser Körper reagiert. Vielleicht mit Müdigkeit oder Konzentrationsverlust.

Eine innere Klärung entspannt die Lage. Wichtige Fragen sind hier: Was triggert dich und warum? Wie kannst du anders reagieren als üblich? Wie kannst du Überreaktionen bereits im Keim ersticken? Und welches Bedürfnis ist nicht erfüllt wenn du in Stress gerätst oder wütend wirst? Oder andersrum: Was wäre erfüllt, wenn es in einer idealen SItuation anders wäre?

Wie kannst du mehr auf eigene Bedürfnisse achten? Wie kann ich mich gut abgrenzen? In einem Coaching können wir das klären.

Stärkungs-Übung für deine Herz- und Beziehungskohärenz: Stelle dir vor, wie du durch ein klares Nein etwas für dich wertvolles erhälst. Z.B. Zeit mit einem lieben Menschen. Bemerke deine Dankbarkeit für diese Zeit und suche die ein Symbol dafür das du dir in deine Tasche stecken oder auf deinem Tisch aufstellen kannst. Stell dir eine typische Situation vor in der du ein klares „Nein“ brauchst, um diese Zeit, diesen Schatz für dich zu bewahren.

Wenn deine Chefin das nächste mal möchte, dass du länger bleibst weisst du warum du Nein sagst. Du grenzt dich ab, stehst für dich ein und gewinnst damit Verbindung zu dir und auch zur Situation und, in unserem Beispiel, sogar zu deiner Chefin. Denn dein Verhältnis zu ihr bleibt geklärt. Dem inneren Kritiker kannst du die Hand geben und ihm versichern, dass jetzt du das Steuer in die Hand nimmst.

Ganz anders wenn du Ja sagst zu etwas zu dem du nur zwiegespalten Ja sagst. Tief im inneren kann sich ein Vorwurf gegenüber der Chefin formulieren und wenn das häufiger vorkommt sogar eine richtige Abneigung. Also: die Verbindung bleibt zu dir und auch zum Anderen erhalten.Obwohl und auch weil du Nein gesagt hast. Denn wenn du Ja zu etwas sagst und dabei ein ungutes Gefühl hast, dann sagst du Nein zu dir selbst. Jetzt triffst du eine Entscheidung, Nein zum Gegenüber zu sagen aber Ja zu dir. Und diese Entscheidung ist fundiert und fühlt sich stimmig an.

Im ersten Schritt hast du also Verbindung zu dir selbst und im zweiten zum Gegenüber hergestellt.

Diese Strategie des Grenzen setzen aber auch verbunden bleiben habe ich selbst als die erstaunlichste und vielleicht wirksamste Strategie erlebt. Wen du dich immer wieder ausgegrenzt erlebst, kann es sein, dass hier Glaubensätze aktiv sind, die uns erzählen, dass wir immer darum bitten müssen, dass uns andere reinlassen. Leider geben wir damit alles aus der Hand. Wir vertrauen nicht mehr darauf, dass andere vielleicht von selbst auf uns zukommen. Das fühlt sich traurig an und führt dazu, dass wir uns zurückziehen, nicht mehr richtig da sind in einer Gruppe. Als innerer Kritiker könnte hier der Untergraber am Werk sein.

Hier eine Übung zur geerdeten Herzöffnung: Bevor du z.B. in eine Gruppe kommst, stell dir im ersten Schritt vor, du bist ganz bei dir. Du spürst die Verbindung deiner Füße zum Boden. Du spürst mit der linken Hand dein Herz. Dabei atme ein paar Mal konzentriert ein und aus. Dann stelle dir vor, du öffnest dein Herz. Du kannst ausprobieren das mit einer Geste für dich zu manifestieren. Wiederhole das immer wieder. Das ist wichtig, damit dein ganzes System sich damit identifiziert und du es spontan abrufen kannst.

Wenn du dann in die Situation gehst, kannst du dir vorstellen du bist ganz bei dir und du bist großzügig, anderen offen zu begegnen. Du musst nichts mehr weiter tun. Du darfst aufhören, um Anerkennung oder Dazugehörigkeit zu kämpfen. Dann gehe in die Situation und warte ab. Stets mit dieser inneren und geerdeten Offenheit. Vielleicht ist das für dich auch ein inneres Lächeln oder eine innere Geste. Und werde dir bewusst, dass es vielleicht auch anderen Personen in dem Kreis ähnlich gehen könnte wie dir. Das nimmt dir die Angst. Sie werden dankbar deine freundliche Offenheit bemerken.

Wenn du das Gefühl hast, jemand, wie z.B. dein Chef kommt dir zu nahe, du denkst zu viel an ihn, selbst in deiner Freizeit, dann schließe die Augen und bemerke, in welchem Abstand er gerade zu dir steht. Ist dies zu nah, stelle ihn dir weiter weg vor. Mache das solange, bis du das Gefühl hast, der Abstand fühlt sich richtig an und du kannst dich selbst wieder mehr spüren.

Stell dir vor, da bist du und um dich herum gibt es einen Garten. Vielleicht sogar mit einer Tür. Der Garten ist dein innerer privater Raum und vielleicht gibt es hier auch Elemente, die diesen Raum beschützen. So eine Art Blumenbeet oder Hecke drumherum. Stell dir vor, in diesem Garten bist du und fühlst dich wohl. Es ist sowas wie ein Schutz- und Geborgenheitsraum. Du darfst bestimmen, wen du reinlässt.

Im ersten Schritt visualisiere diesen Garten entweder in deiner Vorstellung oder als Zeichnung. Wie sieht er aus?

Im zweiten Schritt könntest du dir überlegen, ob es einen Zaun gibt mit einer Tür. Wie genau sehen Zaun und Tür aus?

Im dritten Schritt könntest du einmal nachspüren, wie es ist, wenn jemand an dieser Tür klopft den du magst. Stelle dir vor und bemerke, welche Gefühle auftauchen, wenn dieser Mensch nun bei dir im Garten ist. Vielleicht ist das ein sehr angenehmes Gefühl.

Im vierten Schritt stelle dir vor, es klopft jemand den du nicht reinlassen willst. Du hast aber nun die Möglichkeit, ihn abzuweisen. Eine ganz klare Grenze zu setzen. Wie fühlt sich das an? Vielleicht bekommst du ein schlechtes Gewissen zuerst? Hier könnte es sein, dass ein innerer Kritiker wie der Formgeber aktiv ist der dich daran erinnern möchte, nach bestimmten sozialen Normen zu handeln. Er möchte dich eigentlich vor Kritik schützen und dafür sorgen, dass du sicher oder anerkannt bist. Danke ihm dafür, sollte er auftauchen und dann verspreche ihm, dass du mit dieser Übung in Zukunft anders dafür sorgst. Wenn er dir vertraut, wird er immer weniger hart für dich arbeiten müssen.

Möglicherweise kommt dann ein starkes Gefühl? Sowas wie: Wow, ich habe es in der Hand, jemanden reinzulassen oder auch nicht reinzulassen.

Wiederhole das immer wieder. Du wirst das Ergebnis des guten Grenzen setzens im Alltag spüren und anders auf der Erde stehen.

Bemerkst du, dass du in Stress gerätst wenn um dich herum zu viel los ist? Überlege, ob du die Möglichkeit hast, räumlich etwas Abstand zu schaffen und somit eine klare Grenze zu setzen. Wieviel Platz brauchst du um dich herum? Wenn du das für dich definiert hast, fällt es leichter, beim nächsten Mal real diesen Platz für sich zu schaffen.

Falls es nicht möglich ist, in realen räumlichen Abstand zu gehen, überlege, ob du Gegenstände die dir vertraut sind in deiner unmittelbaren Nähe platzieren kannst. Etwas das dir als Anker dienen kann.

In längeren Gruppensituationen kann es auch helfen, immer wieder raus zu gehen, eine Pause zu machen. Wesentlich ist es dabei, zum richtigen Zeitpunkt seine Grenze zu bemerken. Schreibe dir auf, wann solche Grenzen bei dir erreicht sind.

Es kann sein, dass das anderen auffällt. Versuche hier nicht, es anderen Recht zu machen oder bloß nicht aus dem Rahmen zu fallen. Es geht vielen Menschen so. Stehe zu dir und zu dem was du brauchst. Solange es niemand anderem Schaden zufügt oder einen anderen Raum begrenzt gibt es keinen Grund, sich unnötig anzustrengen, etwas aushalten zu müssen. Am Anfang kann es Überwindung kosten. Du wirst aber nach und nach die Erfahrung machen, dass du nun besser und entspannter in Gruppen sein kannst.

Einige Übungen brauchen am Anfang ein wenig anleitende Unterstützung. Gerade auch beim Thema Triggerpunkte kann es sehr hilfreich sein, ein Coaching als Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Komme gerne auf mich zu.

Grenzen zu setzen hat auch damit zu tun, sich in seiner Sprache weniger angreifbar zu machen. Angreifbar werden wir durch doppelte Botschaten, z.B. durch eine hinterhergeschobene Rechtfertigung. Im beruflichen Kontext kann es besser sein, klar zu sagen: „ich habe keine Zeit“ oder „das ist nicht meine Aufgabe“, statt noch eine Begründung hinterherzuschieben. Eine Klientin sagte z.B.: ich habe keine Zeit, weil ich noch andere Aufgaben habe. Mit dem Zusatz „weil ich noch andere Aufgaben habe“ signalisiert sie Offenheit für die neue Aufgabe und machte sich hier angreifbar. Sofort reagierte Ihr Gegenüber mit der Aussage: vielleicht solltest du dich um eine bessere Priorisierung kümmern?. Ein bessere Aussage wäre also gewesen: „Das fällt nicht in meine Zuständigkeit.“ Das ist eine klare und stimmige Aussage ohne Erklärung. Selbst ein „leider“ würde noch signalisieren, dass man ja gerne helfen wolle. Meine Klientin wollte aber eigentich keine weitere Aufgabe mehr übernehmen. Sich sein Bedürfnis klar zu machen hilft, in seinen Aussagen klar zu bleiben.

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